Einer der bedeutendsten gesellschafts­politischen Preise der Schweiz

Die Stif­tung STAB verleiht seit 1977 jähr­lich einen mit 50’000 Franken dotierten Jahres­preis. Er geht an Persön­lich­keiten und Orga­ni­sa­tionen, die sich für die Idee der frei und persön­lich bestimmten mitmensch­li­chen Verant­wor­tung und der Rück­sicht­nahme auf die Nach­welt einsetzen und die einen ausser­or­dent­li­chen Beitrag zur Pflege abend­län­di­scher Grund­werte leisten.

Dr. Claudia Rütsche ist STAB-Preisträgerin 2022

Claudia Rütsche studierte an der Univer­sität Zürich (UZH) Geschichte, Palä­on­to­logie, Ur- und Früh­geschichte sowie Anthro­pologie. Mitbe­stimmend für diese Fächer­kombination war ihr Kontakt mit dem Kulturama Museum des Menschen anläss­lich einer Fossilien­exkursion im Alter von 13 Jahren. Museums­gründer Paul Muggler gewann sie als frei­willige Mit­arbeiterin und schon in der Gymna­sial- und Studien­zeit arbei­tete sie an Aus­stellungen mit und führte Gruppen durch das Museum.

Mit 25 Jahren reichte sie ihre Disser­ta­tion über die früheste Museums­geschichte der Schweiz ein mit dem Titel «Die Kunst­kammer in der Zürcher Wasser­kirche. Öffent­liche Sammel­tä­tig­keit einer gelehrten Bürger­schaft im 17. und 18. Jahr­hun­dert aus muse­ums­ge­schicht­li­cher Sicht». Kurz darauf übergab ihr Paul Muggler die Museums­leitung und Claudia Rütsche wurde zur jüngsten Museums­direktorin der Schweiz. In der Folge planten beide gemeinsam den Umzug und die Neu­konzeption des Museums am heutigen Stand­ort an der Englisch­viertel­strasse 9 in Zürich-Hottingen. Unter der Leitung von Claudia Rütsche erfolgten bei stetig laufendem Betrieb drei weitere Ausbau­etappen zum aktu­ellen Museum mit rund 1400 Quadrat­metern Aus­stellungs­fläche, verteilt auf vier perma­nente Aus­stellungs­bereiche und ein Wechsel­aus­stellungs­geschoss.

Institutionalisierung als Leitidee

Die grösste Heraus­forderung bestand für Claudia Rütsche in der Insti­tutiona­lisierung des durch eine idea­lis­ti­sche Einzel­person ge­gründeten Museums. Früh erkannte sie den Wert der einzig­artigen Aufbau­arbeit des bereits weit im Pensions­alter stehenden Paul Muggler und die Bedeu­tung seiner singu­lären Idee eines speziell für die Museums­pädagogik geschaf­fenen Museums für die Schweiz. Es gelang Claudia Rütsche, Konti­nuität und Zukunfts­perspektiven für dieses Werk zu vermit­teln, sich mit Bildungs­institutionen, der Politik und Fach­kreisen zu ver­netzen und das Kulturama in der Museums­landschaft zu etablieren. Damit verbunden war die stete Arbeit an der Siche­rung der jähr­li­chen Finan­zie­rung des Museums­betriebs und die wieder­kehrenden Bemü­hungen um öffent­liche Beiträge der kanto­nalen Bildungs­direktion und des städ­ti­schen Schul- und Sport­departements. Für die diversen Ausbau­etappen und Aus­stellungen sammelte Claudia Rütsche private Spenden. Es ist ihr ein grosses Anliegen, die Gründungs­konzeption zu bewahren und sie gleich­zeitig ent­sprechend aktu­eller museo­lo­gi­scher Ent­wicklungen auszu­bauen und zu trans­formieren. Neben Fami­lien und Privat­personen zählen Schul­klassen und Lehr­personen aller Stufen zu den wich­tigsten Ziel­gruppen. Ab 2003 konnte Claudia Rütsche Weiter­bildungen im Auftrag der Päda­gogischen Hoch­schule Zürich (PHZH) durch­führen, diese Zusammen­arbeit wurde 2020 in einer Leistungs­ver­einbarung erwei­tert. Im selben Jahr wurde das in der Rechts­form einer privaten gemein­nützigen Stif­tung geführte Museum vom Kanton Zürich als Insti­tu­tion für Aus- und Weiter­bildung aner­kannt.

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Das didak­tisch konzi­pierte Museum versetzt Jung und Alt in Begeis­te­rung.

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Die Themenvielfalt prägt das Aus­stellungs­programm …

Die heute 51-Jährige hat vier Dauer­ausstellungen und 15 Sonder­aus­stellungen konzi­piert und reali­siert, die sie im Kulturama und teil­weise auch anderen Insti­tutionen der Öffent­lichkeit präsen­tiert hat. Dabei fällt die thema­ti­sche Viel­falt und Inter­disziplinarität auf, von «Geburt – von der Ei­zelle bis zum Säug­ling» bis zu «Wie viel Urzeit steckt in dir?», von «Kultur­geschichte der Frau» bis zu «Herz – Organ und Symbol». Von beson­derer Bedeu­tung war für sie die Konzep­tion der Sonder­aus­stellung im 2010 «Wie wir lernen», welche wegen ihrer grossen Reso­nanz 2014 erneuert und als Dauer­auss­tellung reali­siert wurde und die enge Ver­bindung des Kulturama zu Fragen des Lehrens und Lernens illus­triert. Weitere 19 Sonder­aus­stellungen Dritter hat sie kura­tiert und teil­weise mit eigenen Konzep­tionen von Aus­stellungs­elementen erwei­tert.

… wie auch die Bildung und Vermittlung

Claudia Rütsche hat über 4000 Führungen, Vorträge und Work­shops durch­ge­führt, inner­halb und ausser­halb des Kulturama, für das breite Publikum ebenso wie für Lehr­personen und Fach­publikum. Unter ihrer Leitung wurden die Ange­bote des Kulturama in Bildung und Ver­mittlung laufend erwei­tert. Die Faszi­na­tion für Fossi­lien und die Ent­wicklungsge­schichte des Lebens gab sie in hunderten von paläonto­logischen Exkur­sionen in der Schweiz und Europa weiter.

Wie ihrem Vorgänger liegt Claudia Rütsche die nieder­schwellige, ver­ständliche Ver­mittlung von Wissen und Wissen­schaft über den Menschen an Menschen jeden Alters und jeder Vorbil­dung am Herzen. Sie absol­vierte an der UZH berufs­begleitend ein Nachd­iplomstudium in Kommunikations­psychologie und verfasste ihre Diplom­arbeit zum Thema «Den Museums­besuch als persön­liche Be­gegnung gestalten. Psycho­logische Gesprächs­situationen in der Museums­pädagogik und die Bedeu­tung von Empa­thie und Bezie­hung». Für diese Arbeit wurde sie 2013 mit dem Arnold-Vogt-Preis für Museums­pädagogik der Hoch­schule für Wirt­schaft, Technik und Kultur in Leipzig aus­ge­zeichnet.

Claudia Rütsche setzt sich über das Kulturama hinaus für die Wahr­nehmung von Museen als krea­tiven Orten der Bildung und Ver­mittlung ein, für die Etablie­rung und Profes­sionalisierung der Museums­pädagogik und für die Offen­heit von Museen für alle Menschen.

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Laudator Prof. Dr. Dr. med. Frank Rühli

Prof. Dr. Dr. med. Frank Rühli, EMBA, (1971) ist Dekan der Medi­zi­ni­schen Fakultät der Univer­sität Zürich (UZH), Lehr­stuhl­in­haber bzw. ordent­li­cher Professor und Grün­dungs­di­rektor des Insti­tuts für Evolu­tio­näre Medizin. Zudem ist er auch Mitglied der Mathe­ma­tisch-Natur­wis­sen­schaft­li­chen Fakultät der UZH. Er hatte und hat diverse Gast­pro­fes­suren inne: unter anderem an der Univer­sity of Adelaide, der Nanyang Tech­no­lo­gical Univer­sity NTU Singa­pore und der Univer­sität Genf. Frank Rühli präsi­diert diverse Gremien wie etwa den wissen­schaft­li­chen Beirat des «Mannes aus dem Eis; Ötzi» Bozen (I) sowie die welt­weite Fach­ge­sell­schaft «Inter­na­tional Society for Evolu­tion, Medi­cine and Public Health». Er hat ein Execu­tive MBA absol­viert und ist ausser­be­ruf­lich auch poli­tisch aktiv.
Frank Rühli lebt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in Zürich.
Foto: Susanna Petrin