Die Stiftung STAB vergibt jährlich einen der bedeutendsten gesellschaftspolitischen Preise der Schweiz
Die Stiftung STAB verleiht seit 1977 jährlich einen mit 50’000 Franken dotierten Jahrespreis. Er geht an Persönlichkeiten und Organisationen, die sich für die Idee der frei und persönlich bestimmten mitmenschlichen Verantwortung und der Rücksichtnahme auf die Nachwelt einsetzen und die einen ausserordentlichen Beitrag zur Pflege abendländischer Grundwerte leisten.
Dr. Thomas Greminger erhielt den STAB-Preisträger 2024
Für Thomas Greminger sind die Förderung von Entwicklung, Frieden und Sicherheit zentrale Bestandteile der Aussenpolitik eines neutralen Staates. Das Engagement für diese drei Bereiche ist denn auch der rote Faden in der Karriere des Schweizer Diplomaten.
Heute leitet er das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), eine unabhängige Stiftung, die jährlich um die 1’300 Menschen aus über 150 Ländern zu sicherheitspolitischen Themen weiterbildet. Die renommierte, bald 30-jährige Institution fördert zudem Dialog, forscht und bietet Politikberatung für Staaten und internationale Organisationen. Thomas Greminger hat über die letzten drei Jahre über ein Dutzend Plattformen für den informellen Dialog zu sicherheits- und friedensrelevanten Themen aufgebaut, über welche Staaten in der heutigen hochpolarisierten Welt nicht mehr sprechen. Dazu gehören strategische Stabilität zwischen Grossmächten, Nuklearwaffen, die Arktik, das östliche Mittelmeer ebenso wie die Auswirkungen neuer Technologien wie die künstliche Intelligenz auf die Sicherheit.
Effektives Krisenmanagement auf unterschiedlichsten Gebieten
Höhepunkt seiner Karriere bildete seine Tätigkeit als Generalsekretär der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der weltweit grössten regionalen Sicherheitsorganisation. Er agierte als effektiver Krisenmanager, unter anderem auch indem er die Organisation durch die erste Phase der Covid-19-Krise steuerte. Trotz der starken politischen Polarisierung war die Förderung des Dialogs unter den 57 OSZE-Teilnehmerstaaten eine wesentliche Priorität des Generalsekretärs. Als höchster Amtsträger der OSZE entwickelte Thomas Greminger eine viel beachtete Reformagenda unter dem Titel «Fit for Purpose», um die Organisation vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen an die gewandelten Rahmenbedingungen anzupassen.
Bereits in den Jahren 2010 bis 2015 hatte er sich stark für Fragen der europäischen Sicherheit engagiert. Als multilateraler Botschafter der Schweiz in Wien leitete er 2014 während des OSZE-Vorsitzes der Schweiz den Ständigen Rat der OSZE. In dieser Funktion spielte er eine zentrale Rolle im Management der Krise in und um die Ukraine. So verhandelte er unter anderem mit Erfolg das Mandat der Sonderbeobachtermission der OSZE für die Ukraine, welche sich in der Folge als wichtigstes Deeskalationsinstrument in der damaligen Krise erwies und sich zur mit Abstand grössten Operation der OSZE entwickelte.
Aufbau entscheidender Strukturen und Instrumente zur Friedensförderung
Vor seiner Versetzung nach Wien verbrachte er viele Jahre an der Berner Zentrale. Er übernahm von Peter Maurer die Politische Abteilung für Menschliche Sicherheit des EDA im Jahre 2004 zu einem Zeitpunkt, als Bundesrat und Parlament willens waren, die zivile Friedensförderung als wesentliche Komponente der schweizerischen Aussenpolitik stark auszubauen. In der Folge trug er wesentlich zur Schaffung von Instrumenten und Strukturen in diesem Bereich bei, die bis heute Bestand haben. Unter seiner Verantwortung leistete die Schweiz in jener Zeit auch wesentliche Beiträge zur Lösung von Konflikten, so zum Friedensabkommen in Nepal 2006 oder zum Waffenstillstandsabkommen zwischen Uganda und der Lord Resistance Army (LRA) 2005, welches die Rückkehr von mehr als einer Million Flüchtlingen ermöglichte. Er führte auch wichtige diplomatische Initiativen der Schweiz zum Erfolg. Dazu gehörten die Prozesse, die zur Schaffung des UNO-Menschenrechtsrates oder des Markierungs- und Rückverfolgungsinstruments der UNO für Kleinwaffen gehörten. Er initierte die «Genfer Erklärung zur bewaffneten Gewalt und Entwicklung», welche anerkannterweise massgeblich zur Schaffung des «Nachhaltigen Entwicklungsziels 16» beitrug, welches die Förderung von Frieden und inklusiven Gesellschaften beinhaltet. Auch in der Migrationspolitik engagierte er sich: Zusammen mit dem damaligen Direktor des Bundesamts für Migration, Edi Gnesa, entwickelte er das Konzept der Migrationspartnerschaft in der Absicht, Win-Win-Konstellationen zwischen Entsende- und Empfängerstaaten zu kreiieren.
Entwicklungspolitik und ‑zusammenarbeit als ein Schwerpunkt
Rund ein Drittel seiner Karriere widmete Thomas Greminger der Entwicklungspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit. Zunächst leistete er wichtige Beiträge zur Konzeptualisierung der schweizerischen Entwicklungspolitik nach dem Ende des Kalten Krieges. Er redigierte Teile des Leitbilds Nord-Süd des Bundesrats von 1993 und schuf Leitlinien zu zentralen Gouvernanzfragen (Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Dezentralisierung, Korruptionsbekämpfung). In der Folge leitete er das damals grösste Entwicklungszusammenarbeitsprogramm der Schweiz in Mosambik, wo er gleichzeitig auch als diplomatischer Missionschef fungierte. Fast anderthalb Jahrzehnte später, nach seiner Rückkehr von Wien nach Bern, führte er während zwei Jahren als Stellvertretender Direktor die Südzusammenarbeit der DEZA. Er war damit verantwortlich für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz.
Vertrauen in die Sache, in sich selbst und in andere
Thomas Greminger fürchtet sich nicht, kalkulierte Risiken einzugehen. Dort wo andere aufgeben, versucht er den Dialog auch unter Druck weiterzuführen und Lösungsansätze zu finden. Dabei kommt ihm zugute, dass er nicht nur als Topdiplomat sondern auch als ausgewiesener Experte in Konfliktvermittlung, Rüstungskontrolle und Sicherheitspolitik gilt.
Er profitierte im Verlauf seiner Karriere immer wieder von Persönlichkeiten, die ihn inspirierten und förderten. Dazu gehörten Kollegen wie Peter Maurer, Walter Fust und Urs Ziswiler oder Departementschefinnen und ‑chefs wie Micheline Calmy-Rey und Didier Burkhalter. Er weiss, dass auch in der Friedens‑, Sicherheits- und Entwicklungspolitik Erfolge nur mit starken Teams zu erzielen sind. Deshalb hat er Mitarbeitenden in der DEZA, der PA IV, dem OSZE-Sekretariat oder dem GCSP immer viel Verantwortung übertragen und Freiraum gelassen.
Thomas Greminger ist überzeugt, dass es im Interesse der Schweiz, einem wohlhabenden und von der Globalisierung profitierenden Landes, ist, über eine engagierte Aussenpolitik wesentliche Beiträge zu Entwicklung, Sicherheit und Frieden zu leisten.
Der Laudator Peter Maurer
Peter Maurer,1956 in Thun geboren, studierte von 1976 bis 1981 an den Universitäten Bern und Perugia Geschichte, Politikwissenschaften und Völkerrecht. Danach wirkte er bis 1986 als wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter am Institut für zeitgenössische Geschichte der Universität Bern, wo er 1984 mit einer Dissertation zur schweizerischen Nahrungsmittelversorgung während des Zweiten Weltkrieges promovierte.
Ab 1987 war Peter Maurer im diplomatischen Dienst seines Heimatlandes tätig, so unter anderem ab 1996 als stellvertretender ständiger Beobachter der Schweiz bei den Vereinten Nationen in New York. Im Jahr 2000 wurde er Botschafter und Leiter der für die Bereiche Frieden, Menschenrechte, Humanitäre Politik und Migration zuständigen Politischen Abteilung IV für menschliche Sicherheit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Von 2004 bis 2010 war er Chef der Schweizer Ständigen Mission bei den Vereinten Nationen und während dieser Zeit, ab Juni 2009, Vorsitzender des Verwaltungs- und Haushaltsausschusses der 64. Tagung der UN-Generalversammlung. Ab 2010 fungierte er als Staatssekretär in der Politischen Direktion des EDA.
Am 17. Oktober 2011 wählte ihn die Versammlung des Internationalen Komitees des Roten Kreuz (IKRK) zum designierten Nachfolger des seit 2000 amtierenden IKRK-Präsidenten Jakob Kellenberger. Seine vierjährige Amtszeit begann am 1. Juli 2012. Im November 2015 und im November 2019 wurde er für jeweils weitere vier Jahre bis Juni 2024 im Amt bestätigt. Seit seinem Rücktritt im September 2022 ist er Präsident des Basel Institute on Governance, Senior Fellow am Geneva Graduate Institute sowie Verwaltungsrat der Zürich Versicherung und Stiftungsrat der Vontobel Stiftung. Im Rahmen des WEF (World Economic Forum) und der Elea Stiftung (Zürich) engagiert er sich für mehr Investitionen in und die Unterstützung von Unternehmen in fragilen Kontexten.
2014 verlieh ihm die Universität Basel den Ehrendoktortitel, 2022 erhielt er den luxemburgischen Orden der Eichenkrone (Ordre de la Couronne de Chêne) und 2023 das Grosse Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 2023 verlieh ihm die Japanische Regierung den «Grand Cordon oft the Order of the Rising Sun» und 2024 wurde er zum «Commandeur de la Légion d’Honneur Française» ernannt.
Peter Maurer ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.