Einer der bedeutendsten gesellschaftspolitischen Preise der Schweiz
Die Stiftung STAB verleiht seit 1977 jährlich einen mit 50’000 Franken dotierten Anerkennungspreis. Er geht an Persönlichkeiten und Organisationen, die sich für die Idee der frei und persönlich bestimmten mitmenschlichen Verantwortung und der Rücksichtnahme auf die Nachwelt einsetzen und die einen ausserordentlichen Beitrag zur Pflege abendländischer Grundwerte leisten.
Die Stiftung Domicil erhält den STAB-Anerkennungspreis 2021
Im Jahr 1994 gegründet, wirkt die Zürcher Stiftung Domicil seit 1995 mit einem Leistungsauftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich. 2013 weitete sie ihr Angebot auf den ganzen Kanton Zürich aus. Inzwischen zählen auch die Sozialen Dienste und die AOZ (Asylorganisation Zürich) zu ihren Auftraggeberinnen. Die langjährige Tätigkeit, die gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Partnerinnen und Wohnraumanbietern sowie das Angebot, das stetig weiterentwickelt und den sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst wird – das alles zeigt Wirkung.
Schützenhilfe bei der Wohnungssuche
Auf dem Wohnungsmarkt kämpfen Working Poor, Arbeitslose, Menschen mit Rente, Sozialhilfe oder mit Schulden mit vielen Schwierigkeiten. Haben sie noch dazu einen Migrationshintergrund und mangelnde Deutschkenntnisse, geraten sie noch mehr ins Abseits. An diese Menschen richtet sich das Angebot der Stiftung Domicil. Sie unterstützt sie bei der Wohnungssuche. Es gelingt ihr, jährlich rund 140 Wohnungen zu vermitteln. Sie kann dabei auf ein Netzwerk an Wohnungsanbietern zurückgreifen, die bereit sind, sich auf Mietende einzulassen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Dies sind in Zürich eine Vielzahl renommierter grosser und kleinerer Verwaltungen von institutionellen und privaten Eigentümerinnen, Wohnbaugenossenschaften sowie private und öffentliche Stiftungen.
Langfristige Perspektive für alle Beteiligten
Domicil hat sich über die Jahre im Umgang mit sozial, wirtschaftlich oder kulturell benachteiligten Familien – darunter viele Einelternfamilien, Paaren und Einzelpersonen –, die sie bei der Wohnungssuche unterstützte, einen reichen Wissens- und Erfahrungsschatz aufgebaut. Seit Beginn ist die Solidarhaftung ihr zentrales Instrument: Domicil haftet solidarisch für die Mietverhältnisse ihrer Mieterinnen und Mieter und berät sie beim Einhalten der finanziellen Verpflichtungen. Zudem wird sorgfältig ins Thema Wohnen eingeführt und auf einen reibungslosen Verlauf des Mietverhältnisses geachtet: Dazu gehören Mediation, Konfliktprävention, Wohntraining und Delogierungsprävention, bei der es darum geht, den Verlust einer Wohnung zu verhindern. Mit all diesen Massnahmen sichert die Stiftung den günstigen Wohnraum dauerhaft. Und sorgt für hohe Stabilität und eine langfristige Perspektive – sowohl für die Vermietenden als auch für die Mieterinnen und Mieter.
Soziale Integration beginnt mit den eigenen vier Wänden
Läuft ein Mietverhältnis reibungslos, prüft Domicil nach rund 5 Jahren, ob die Mietenden den Mietvertrag direkt übernehmen können. Damit wird die soziale Integration der Mieterinnen und Mieter gefördert: denn Wohnen ist anerkanntermassen neben Arbeit und Bildung der bedeutendste Integrationsfaktor. Nicht von ungefähr definiert die UNO das Recht auf angemessenes Wohnen als ein Grundrecht und fordert die Nicht-Diskriminierung von Menschen im Wohnungsmarkt. Ein Zuhause zu haben, also einen Ort, an den man sich zurückziehen kann, ist ein zentrales menschliches Bedürfnis. So gesehen, beginnt Integration mit den eigenen vier Wänden. Das Wohnen als Lebens- und Alltagsthema ist zudem das prädestinierte Lernfeld, um sich nicht nur eine neue Kultur und andere Werte, sondern auch die neuen Konventionen und Regeln anzueignen.
Vorreiterrolle beim Umgang mit Vielfalt
Domicil geht es bei ihrer Arbeit auch um ein vielfältiges Zürich, denn die Stiftung ist überzeugt, dass der Umgang mit Vielfalt eine der grossen Herausforderungen unserer Gesellschaft ist und auch im Wohnumfeld immer wichtiger wird. Ihr erklärtes Ziel ist, den günstigen Wohnraum zu sichern und das Zusammenleben im interkulturellen Kontext wirksam zu fördern. Das macht sie einerseits mit regelmässigen Pilotprojekten wie zum Beispiel «Interkulturelles Wohncoaching» oder den mehrsprachigen Erklärvideos an der Schnittstelle zu Wohnungsmarkt und Sozialbereich. Anderseits, indem sie ihre Klientinnen und Klienten mit massgeschneiderten Interventionen an die komplexen Bereiche der Wohnungssuche, des Mietrechts und der schweizerischen Wohnkultur heranführt..
Mit Corona hat sich die Situation verschärft
Eine der vielen Nebenerscheinungen der Corona-Pandemie ist, dass sich die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche für die Zielgruppe von Domicil verschärft haben. Zum einen ist der Leidensdruck von Familien, die in extrem beengten Verhältnissen leben, zusätzlich gestiegen. Zum anderen wird im tiefen Preissegment noch weniger umgezogen und es werden noch weniger günstige Wohnungen frei. Die Folge: seit Beginn der Pandemie konnte Domicil nur knapp halb so viele Wohnungen wie in den vergangenen Jahren vermitteln. Das steht im starken Kontrast zur Nachfrage, die grösser denn je ist. Darum ist die Arbeit der Stiftung Domicil wichtiger denn je.
Die Laudatorin Daniela Merz
Daniela Merz ist Initiantin und CEO der Dock Gruppe AG, einer unternehmerisch geführten Sozialfirma mit rund 1400 Mitarbeitenden. Das Unternehmen schafft arbeitsmarktnahe Arbeitsplätze für Menschen ohne Arbeit und entwickelt Methoden zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Daniela Merz beschäftigt sich auch mit verschiedenen Partnerfirmen und in weiteren strategischen Funktionen mit sozialer Innovation rund um das Thema Arbeitsintegration. Daneben hat sie verschiedene Stiftungs- und Verwaltungsratsmandate in Organisationen aus Wirtschaft, Bildung und Kultur inne. Daniela Merz war zuvor lange Jahre als Exekutivpolitikerin in Herisau tätig und leitete eine IT-Firma. Sie ist ausgebildete Lehrerin und Betriebswirtschafterin.